Dreikönigstreffen

2006 Martin Gorholt

(Anneliese Caruso, Südostbayerische Rundschau, 09. Januar 2006)

"Keine neuen Arbeitsplätze durch Kombilöhne"

Martin Gorholt zu Gast beim traditionellen Dreikönigstreffen – 60 Jahre SPD in Kirchanschöring

Kirchanschöring. Die SPD-Kreisverbände Traunstein und Berchtesgadener Land konnten den Bundesgeschäftsführer der SPD, Martin Gorholt, als Redner für ihr diesjähriges Jubiläumstreffen beim "Felberwirt" in Kirchanschöring gewinnen. Martin Gorholt setzt damit die Liste namhafter SPD-Spitzenpolitiker wie etwa Franz Müntefering oder Hans-Jochen Vogel fort, die das alljährliche Treffen zu einer regionalpolitisch relevanten Veranstaltung werden lassen.

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Mit den heiligen Dreikönigen auf dem Bild v.l. Peter Aumeier, SPD-Ortsvorsitzender, Martin Gorholt, Dirk Reichenau, SPD-Kreisvorsitzender Traunstein und die Bundestagsabgeordnete Dr. Bärbel Kofler

Der 49-jährige Sozialdemokrat Gorholt kann auf eine lange politische Karriere zurückblicken: Seit November 2005 ist der Diplom-Volkswirt Bundesgeschäftsführer. Zuvor war er zwei Jahre als Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg. Bereits seit 1984 bekleidete er verschiedene leitende Positionen in der Partei.

Große Anteilnahme und tiefes Mitgefühl für die Betroffenen, Angehörigen und Opfer des Unglücks in Bad Reichenhall demonstrierte das gesamte Publikum in einer Gedenkminute auf Anregung der Bundestagsabgeordneten Bärbel Kofler während der Veranstaltung. Bärbel Kofler machte deutlich, dass die Situation nach Kriegsende in ganz Deutschland ähnlich schwierig und traurig war wie jetzt in Bad Reichenhall.

60 Jahre SPD in Kirchanschöring waren für alle hier vertretenen Politiker Anlass, die Parteigeschichte ins Bewusstsein zurückzurufen: Schon 1946, kurz nach dem Ende des Dritten Reiches, schrieb der erste Ortsvorsitzende Sebastian Straßer, dass die SPD mit ihrem alten unbesudelten Namen wieder auferstanden sei. Ihre Mitglieder hatten sich trotz Bedrohung und Verfolgung in den langen Jahren der Demütigungen durch die Naziherrschaft nicht gebeugt. Die SPD stand für den demokratischen Neuanfang, den Wiederaufbau und das Ansehen der jungen Bundesrepublik. Die Sozialdemokraten trugen durch die Mitgestaltung des Grundgesetzes wesentlich zur Gründung des sozialen Rechtsstaates bei.

Alois Straßer, der ehemalige Ortsvorsitzende von Kirchanschöring, schilderte den zahlreich erschienenen Gästen und Parteifreunden anschließend eindrucksvoll die bewegende örtliche Geschichte der Sozialdemokraten, die stolz auf ihre lange Tradition zurückblicken dürften.

In seiner wohlformulierten und mit hoher Professionalität vorgetragenen Rede zu politisch brisanten Themen sprach sich der "Preuße und Protestant", wie Gorholt sich selbst titulierte, ausdrücklich gegen die Abwärtsspirale bei der Lohnentwicklung und für eine produktionsorientierte Lohnpolitik aus. Das Hohelied des Kombilohns - die staatliche Subventionierung der Löhne - die zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Dienstleistungsbereich mehr Arbeitsplätze schaffen soll, konnte Gorholt nicht anstimmen. Mit diesem Lohnmodell könne nicht ein einziger Arbeitsplatz am Arbeitsmarkt-Horizont ausgemacht werden, so Bundesgeschäftsführer der SPD. Dieser Meinung schloss sich auch Bärbel Kofler an. Im Zusammenhang mit dem Kombilohn werde die Debatte um sozialversicherungsfreie Minijobs, die ohnehin nur einen Kompromiss darstellten, von neuem entfacht, so Gorholt.

Die Grundidee des Lohnmodells: Die Beschäftigungsmisere gering Qualifizierter, deren Anteil an der Arbeitslosenquote steige, solle angepackt werden. Mit Hilfe von staatlichen Zuschüssen beziehungsweise mit der Gewährung einer Steuergutschrift will man versuchen, die Jobs der Arbeitnehmer zu erhalten, um sie vor Erwerbslosigkeit zu bewahren.

Scharfe Kritik übte auch Günter Zellner vom Deutschen Gewerkschaftsbund an den Kombilöhnen. Neue Arbeitsplätze entstünden ausschließlich mit der Kaufkraft. Die bevorstehende Mehrwertsteuererhöhung wirke aber noch zusätzlich bremsend. Man müsse den Menschen mehr Geld in der Tasche lassen, dafür gebe es in Bayern dank seiner geringen Verschuldung die besten Voraussetzungen. Dem rigorosen Sparkurs von Ministerpräsident Edmund Stoiber wollte er aber kein Verständnis entgegenbringen.

Am Ausstieg aus der Atomenergie gebe es nichts zu rütteln, sagte Gorholt. Der für Kernkraftwerke benötigte und heiß begehrte Brennstoff Uran müsse schließlich auch importiert werden und steige ständig im Preis. Vielmehr setze die Partei auf Steinkohle, die Förderung alternativer Energiequellen und generelle Einsparungen beim Energieverbrauch.

Die unter Kanzler Gerhard Schröder in Angriff genommene, unpopuläre und konsequent durchgezogene Reformpolitik greife allmählich; so gebe es zuletzt gute Nachrichten zur aktuellen Wirtschaftslage und weniger schlechte vom Arbeitsmarkt. "Dies ist kein mysteriöser Merkelfaktor, sondern eine gut fundierte, auf Langfristigkeit angelegte Sozialpolitik!", so Gorholt. Gorholts erklärte Wunschvorstellung, den CSU-Riesen Bayernweit auf die Einflussgröße zu reduzieren, wie dies in Berlin gelungen sei, fand unter den Genossinnen und Genossen regen Beifall.

Dirk Reichenau, der als SPD- Kreisverbands-Vorsitzender die Fäden im Landkreis Traunstein in der Hand hält, würdigte in seiner politischen Botschaft die Ziele und Werte von 143 Jahren Sozialdemokratie, an denen sich bis heute nichts verändert habe. Die Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität erforderten ein ständiges Ringen um Macht, die keinesfalls als verdammungswürdig betrachtet werden dürfe. Wer Politik als Dienst am Bürger begreife und sich mit sozialdemokratischen Idealen identifiziere, komme nicht umhin, sich in diesem Machtkampf zu behaupten. Gerade das Treffen in Kirchanschöring stehe für eine hohe politische Kultur; einer Kultur also, die Tradition und Machtansprüche in sich vereine. Seinen Dank richtete er an die Verantwortlichen des Ortsvereins: Peter Aumeier, Gabi Wallner und Josef Schmid.