2015 - Ewald Schurer
Kirchanschöring. Die SPD-Kreisverbände Traunstein und Berchtesgadener Land konnten Ewald Schurer als Redner für ihr traditionelles Dreikönigstreffen beim »Saliterwirt« in Kirchanschöring gewinnen. In seiner viel beklatschten Rede verwies der aus Ebersberg stammende SPD-Bundestagsabgeordnete, der zugleich Chef der oberbayerischen Genossinnen und Genossen ist, auf die innenpolitischen Erfolge und Projekte seiner Partei in der großen Koalition. Geschäftsmäßig und routiniert trug Schurer vor, was die Sozialdemokraten nach 15-monatiger Regierungsbeteiligung schon alles erreicht haben. Mindestlohn, abschlagsfreie Rente mit 63, neun Milliarden Euro für Bildung und Forschung und EEG- Reform: Aus Sicht Schurers sind die wichtigsten Wahlversprechen gehalten worden, weitere sollen folgen.
90 Prozent aller Reformen, welche die große Koalition bislang vollzogen hat, seien von den Sozialdemokraten eingeleitet worden.
Auch beim BAföG halte die SPD was sie verspricht. Durch die BAföG-Novelle bringe man substanzielle Verbesserungen für die Studierenden auf den Weg. Mit dem Anfang des Jahres in Kraft getretenen Pflegezeitgesetz habe die SPD ein weiteres Wahlversprechen eingelöst. An diesem feile man jedoch noch weiter bis es perfekt sei. „Die Pflege wird nämlich immer bedeutender." Zudem habe die Regierung endlich das Gesetz für mehr Frauen in Führungspositionen in Gang gesetzt. „Ein wichtiger Beitrag für gleichgeschlechtliche Behandlung." Gerade nach dem Krieg habe die Sozialdemokratie unheimlich viel geleistet. Diese Leistung verdanke das Land besonders auch den Frauen, die sich dafür stark machten. „Nur gemeinsam schaffen wir es."
Eingeführt werden soll auch die sogenannte Mietpreisbremse. Sie soll verhindern, dass eine Wiedervermietung in besonders begehrten Städten und Gemeinden dazu genutzt wird, die Miete außerordentlich zu erhöhen. Darüber hinaus wolle man in Zukunft festlegen, dass diejenigen den Makler bezahlen müssen, die ihn beauftragt haben. „Es gilt das Prinzip: Wer bestellt, bezahlt". Überdies sei es auf Drängen der Sozialdemokraten zu einer Neureglung der doppelten Staatsbürgerschaft gekommen, mit der nun Kinder aus Zuwandererfamilien künftig schon vor ihrem 21. Geburtstag selbst aktiv werden und die dauerhafte doppelte Staatsbürgerschaft beantragen können.
Den vor wenigen Tagen verstorbenen Soziologen Ulrich Beck, der als Vordenker und Risikoforscher viele politische Debatten der vergangenen Jahrzehnte geprägt hat und mit dem Bestseller "Risikogesellschaft" berühmt geworden ist, habe er sehr geschätzt, betonte Schurer. „Wir stecken mittendrin im gesellschaftlichen Wandel, den Beck vortrefflich analysiert hat." Unter anderem führe der technische Umbruch und die beschleunigte Globalisierung von Arbeit, die zunehmend digitalisiert wird, in den kommenden Jahren zu einem unaufhaltsamen und tiefgreifenden Wandel des gesellschaftlichen Gefüges. „Schon durch das Kommunizieren in der virtuellen Welt ändert sich sehr viel." Und durch die Internationalisierung mit einem globalen Wettbewerb werde es noch schwieriger. All dies präge auch den Umgang untereinander. Zudem lasse eine beschleunigte Welt langfristige Bindungen immer weniger zu. Der allgemein zu verzeichnende Wandel an Werten gehe auch nicht spurlos an der SPD vorbei, die eine gemeinwohlorientierte Politik betreibe. Er, Schurer, hat jedoch keine Bedenken, „denn die sozialdemokratischen Werte werden morgen noch genauso wichtig sein wie heute." Die SPD habe während der Regierungszeit von Willy Brandt noch deutlich mehr Mitglieder gehabt. Damals sei es aber auch schon schwierig gewesen, weil es eine große gesellschaftliche Intoleranz vor allem auch unter den Bewohnern ländlicher Gegenden gegeben habe, die vor allem von der CSU vertreten wurde. Auf diese Partei, die sich seiner Meinung nach aktuell in Berlin äußert schwach präsentiert, wolle er aber nicht einhauen, betonte Schurer, der sich dennoch ein paar verbale Seitenhiebe nicht verkneifen konnte. „Das ist unser Koalitionspartner. Nehmt ihn bitte ernst!" Im Gegenzug müsse die CSU, die es nicht lassen könne, immer wieder ihr altes Gesicht zu zeigen, auch endlich kapieren, dass die Sozialdemokraten ihr wichtiger Partner sind. Es bringe herzlich wenig sich gegenseitig anzugreifen, schließlich müsse man in den Kommunalgremien miteinander gut zusammenarbeiten.
Einen Sonderapplaus gab es für die heimische Bundestagsabgeordnete Bärbel Kofler, die mit am Podium saß. Bei ihrer geradezu vorbildlichen Arbeit im Deutschen Bundestag lasse sie nichts unversucht, um die entwicklungsfördernde Zusammenarbeit mit Afrika voranzutreiben. Damit die Menschen von dort nicht mehr fliehen müssen und „die Flüchtlingswellen endlich abreißen".
Der SPD- Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer ging zum Schluss seiner Rede, die immer wieder von viel Beifall unterbrochen worden war, schließlich noch auf die aktuelle Diskussion um den Austritt Griechenlands, das mit zwei Rettungsprogrammen über Wasser gehalten wird, aus der Europäischen Währungsunion ein: Mit Sparauflagen habe man das Land stark geschwächt: „Totsparen bringt niemanden weiter." Was jetzt gefragt sei, sei eine völlig neue EU-Politik. „Die europäischen Länder sollten eine gänzlich neue Sozialpartnerschaft einführen, damit die schwachen Länder ihren Hintern wieder hoch kriegen."
Abschließend würdigte der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Berchtesgadener Land, Roman Niederberger, die Ausführungen von Ewald Schurer als sehr gelungen: „Du kannst durchaus mit den großen Rednern, die in den letzten Jahren auf dem Dreikönigstreffen in Kirchanschöring gesprochen haben, mithalten.
Schurer durfte sich über dieses Lob durchaus freuen, zumal das Publikum dieses traditionellen Treffens doch etwas verwöhnt ist: In den Vorjahren jagte nämlich ein brillanter Redner oft den anderen. Zu ihnen gehörten unter anderem namhafte sozialdemokratische Parteigrößen und Spitzenfunktionäre wie Frank- Walter Steinmeier oder Franz Müntefering. Ab und an durften auch mal die Frauen sprechen. Eine von ihnen war die Europa-Abgeordnete Maria Noichl aus dem Wahlbezirk Rosenheim, die in der Vergangenheit auch immer mit von der Podiums-Partie war. Diesmal schickte sie nur eine Grußbotschaft per Video aus Brüssel in den Saal. Sie wünschte ein erfolgreiches Dreikönigstreffen.
Zu der diesjährigen Veranstaltung, die heuer zum 69. Mal über die Bühne ging, hatten wie immer die Kreisverbände Traunstein und Berchtesgadener Land gemeinsam geladen. Als Gastgeber begrüßte der stellvertretende SPD- Vorsitzende von Kirchanschöring, Gernot Straßer, die vielen Zuhörer, zu denen sich auch zahlreiche amtierende regionale Mandatsträger gesellten.
Dr. Bärbel Kofler machte in ihrer kurzen Ansprache zunächst deutlich, wie schwierig sich die Koalitionsverhandlungen gestaltet haben. Dann verwies sie ebenfalls auf bisherige Erfolge der Regierungskoalition, die aus der SPD-Feder stammen: Die Einführung des Mindestlohns bedeute für viele Menschen die größte Lohnerhöhung aller Zeiten. „Der Mindestlohn ist ein Gebot der Fairness und Gerechtigkeit. Er ist aller Ehren wert." Eine ebenso große Errungenschaft sei es, dass die Leute nach 45 Jahren in die Rente gehen können. Auf der Agenda stünde nun eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen. Daher werde man gezielt den Länderfinanzausgleich angehen. „Verstärkt in Angriff genommen werden sollen die Energiewende und die Energieeffizienz."
Der Vorsitzende der Traunsteiner Genossinnen und Genossen, Dirk Reichenau, erinnerte in seinem Grußwort an ein Ereignis, das zwar schon einige Jahre zurückliegt, aber immer noch geeignet ist, den Charakter von Ewald Schurer hervorzuheben: Im Rahmen eines Zeltlagers, das die Jusos, zu denen auch Reichenau zählte, in Mühldorf am Inn aufgeschlagen hatten, wurde die symbolträchtige, selbstgebastelte SPD- Fahne entwendet. Knapp eine Stunde nachdem man das Fehlen der Fahne bemerkt hatte, war diese dann auch schon wieder an Ort und Stelle. „Schurer hat sich sofort darum gekümmert und die Fahne wieder aufgestellt. Er ist einfach einer, der sich um die Dinge kümmert."
Als kleines Dankeschön für den Vortrag überreichten Bärbel Kofler, Dirk Reichenau, Roman Niederberger und Genot Straßer im Namen aller Parteimitglieder in der Region ein mit Spezialitäten gefülltes Rupertikörberl ehe die ebenfalls schon zur Tradition gewordene politische Diskussionsrunde eingeleitet wurde, über die wir gesondert berichten.
Text und Bild: Anna Caruso