Im Alter von 78 Jahren ist der in Bad Reichenhall geborene Gustav Starzmann gestorben. Er hat sich Zeit seines Lebens bei der SPD politisch engagiert und sein Engagement reichte weit über die Kurstadt hinaus. Er hinterlässt seine Frau, zwei erwachsene Kinder, drei Enkelkinder und ein politisches Erbe, das besonders von seinem Eintreten für die Umwelt geprägt war.
Zur Politik fand Gustav Starzmann schon bald nach seinem Abitur am Reichenhaller Karlsgymnasium. Dort beteiligte er sich als Schülerreporter und zeitweise war er auch als freier Mitarbeiter des Reichenhaller Tagblatts beschäftigt. 1966 ist Starzmann in die SPD eingetreten, für die er 1972 in den Stadtrat gewählt wurde und damals ein für die Reichenhaller SPD-Fraktion ganz neues Thema einbrachte: die Umwelt. Traditionsgemäß verstanden sich der Ortsverein und deren Vertreter im Stadtrat als Verfechter der Arbeitnehmerinteressen, die Umweltpolitik hatte noch keinen Stellenwert.
Seine politische Arbeit aber auch seine Ambitionen, etwas zu bewegen, führte ihn bald über die Kurstadt Bad Reichenhall hinaus und 1982 gelang ihm der Sprung in den Bayerischen Landtag. Dort hat er sich gemäß seinen Interessen für den Umwelt- und Landwirtschaftsausschuss entschieden. In den 21 Jahren hatte er trotz seiner Zugehörigkeit zur Opposition mit seiner Arbeit einiges bewegen können.
Panzerfahrzeuge in Oberjettenberg?
Aus heutiger Sicht klingt die Vorstellung, wonach Soldaten mit schwerem Kriegsgerät auf den Bauernwiesen in Oberjettenberg für den Ernstfall üben, verrückt. Damals, in den Siebziger und noch in den achtziger Jahren galt es dagegen noch als unvorstellbar, das Verteidigungsministerium in Bonn von seiner Entscheidung abzubringen. Angefangen haben die Auseinandersetzungen um die Verlegung des Übungsplatzes im Jahr 1968. Auf Betreiben des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Max Neumeyer wurde von der Bayerischen Staatskanzlei der Vorschlag, Oberjettenberg zum neuen Standortübungsplatz zu machen, ausgearbeitet und an die Bundesregierung weitergeleitet. 1977 stellte die Regierung von Oberbayern den Enteignungsantrag, 1978 wurde die Petition des Bundes Naturschutz im Landtag abgelehnt und 1982 entschied das Bundesverwaltungsgericht gegen die klagenden Bauern. Es stand sehr schlecht um ihr Anliegen, als sich im August 1983 schließlich auf Initiative von Fritz Derwart die Bürgerinitiative „Rettet Oberjettenberg“ gründete. Diese Initiative löste auch in Reichenhall eine Welle an Sympathie aus und neben Gustav Starzmann ergriff auch der damalige CSU-Landtagsabgeordnete Franz X. Werkstetter für die betroffenen Bauern Partei. Ein in der Bürgersammlung vom Dezember 1983 gestellter Antrag gegen die Verlegung des Übungsplatzes wurde im Stadtrat noch abgelehnt, aber im weiteren Verlauf neigte sich die Angelegenheit mehr und mehr zu Gunsten der Bauern und gegen die Bundeswehr bis schließlich im Mai 1987 der Bundestag die Petition billigte.
Berichterstatter zum Nachtfahrverbot
Bis heute ist das Nachtfahrverbot durch das Kleine deutsche Eck nicht wirklich umgesetzt. Damals, als die Petition 1986 auf Antrag von Fritz Grübl im Ministerrat des Bayerischen Landtags eine Mehrheit fand, wurde es als ein großer Erfolg für die Kurstadt gewertet. Anders als beim Thema Oberjettenberg hat Gustav Starzmann das LKW-Nachtfahrverbot nicht gegen, sondern mit dem Oberbürgermeister Dr. Max Neumeyer erkämpft. Gemeinsam wurde das Verbot vorangetrieben und dass die Eingabe von Fritz Grübl schließlich erfolgreich war, ist auch Gustav Starzmann zu verdanken, der damals für diese Petition als zuständiger Berichterstatter den Ausschuss dafür gewinnen konnte und dieser der Regierung erfolgreich die Einführung des Nachtfahrverbots vorschlug.
SPD-Forstexperte kontra Agrarminster
Als der bayerische Agrarminister noch Reinhold Bocklet hieß, hat sich Gustav Starzmann als Agrarpoltischer Sprecher der SPD-Fraktion in der Frage „Wald vor Wild“ in die politische Auseinandersetzung geradezu hineingestürzt. Bocklet als Minister und der damalige Jagdpräsident waren seine erbitterten Kontrahenten, wenn es darum ging, den Wildverbiss gering zu halten. Heftigste gegenseitige Angriffe prägten die Auseinandersetzung, die er zusammen mit dem damaligen Forstamtsleiter Dr. Meister für eine natürliche Waldverjüngung und gegen die Privilegien der Jäger führte. Als Oppositionspolitiker musste er allerdings am Ende seiner Landtagsarbeit nach 21 Jahren resigniert feststellen, in dieser Sache nur mit wenig Erfolg gegen eine Übermacht gekämpft zu haben.
Hartnäckig den Schutz der Moore verfolgt
Lange bevor der Schutz der Moore zu einem wichtigen Beitrag zur Verhinderung des Klimawandels wurde, war für Gustav Starzmann der Schutz der Kendlmühlfilzn am Südufer des Chiemsees von so großer Bedeutung, dass er viele Jahre vor Ort und im Landtag dafür gekämpft hatte und hier schließlich erfolgreich war. Noch 1985 musste er aus dem Landtag vermelden, dass sich die CSU-Staatsregierung zwar bewegt habe, um sich jedoch gleich wieder eine Hintertür zum weiteren „Torfraubbau“ zu öffnen. Und zwei Jahre später wurde im Umweltausschuss des Landtages noch abgelehnt, die „Filzn“ in ein Naturschutzgebiet zu verwandeln und den maschinellen Torfabbau zu verbieten. Erst fünf Jahre später war es dann so weit. Der Grassauer SPD-Vorsitzende Xaver Schreiner konnte bekanntgeben: „Die Kendlmühlfilzn, eines der größten Hochmoore in Bayern stehen unter Naturschutz“.
Heute das Notwendige tun
1987, nach einem Jahr furchtbarer Umweltkatastrophen in den Alpen, bei dem u.a. im Veltlin bei einem verheerenden Bergsturz mehrere Dörfer unter Schlamm und Geröll verschüttet wurden, nahm Gustav Starzmann in der Generaldebatte zum Schutz der Alpen im Bayerischen Landtag die Gelegenheit wahr, darauf hinzuweisen, dass sich die Politik einmal grundsätzlich über die Folgen menschlicher Eingriffe in die ökologischen Zusammenhänge Gedanken machen müsse. Der Schutz der Alpen war für ihn schon damals die Triebfeder seines politischen Handelns, die ihn zu vielfältigen Aktivitäten besonders in den Chiemgauer und Berchtesgadener Alpen antrieben. Der Nationalpark Berchtesgaden, der Schutz des Waldes im Allgemeinen und des Bergwaldes im Besonderen waren genauso Themen, wie die Verhinderung von Eingriffen durch neue Liftanlagen und generell von Natur zerstörenden Freizeiteinrichtungen. Im Einzelnen unterstützte er wo immer er konnte die Initiativen vor Ort, wie „Rettet den Geiglstein“, Verhinderung der Skischaukel zwischen dem Heutal und der Winkelmoosalm, die erfolgreiche Verhinderung mehrerer Olympiabewerbungen oder der Forderung, für solche Eingriffe generell Umweltverträglichkeitsprüfungen nach strengen Maßstäben vorzuschreiben. Wörtlich fügte Starzmann in der Landtagsdebatte 1987 an, man müsse „heute das Notwendige tun, um nicht durch übermäßige menschliche Eingriffe in die Landschaft Gefahren heraufzubeschwören“.
Nach der Politik die Kunst
Nach mehr als dreißig Jahren aktiver Politik konnte sich Gustav Starzmann dann endgültig auf seine künstlerische Leidenschaft konzentrieren. Eigentlich wollte er Kunst studieren, aber wegen des frühen Todes seiner Eltern hatte er sofort Geld verdienen müssen. Sein Großvater war Bildhauer und so trat er gleich nach dem Ausscheiden aus dem Landtag in seine Fußstapfen. Er besuchte Kurse bei anerkannten Künstlern und fertigte selbst Bilder und Skulpturen an. Im Januar 2003 stellte Starzmann seine Collagen aus Wellpappe, Acryl und Blattgold, seine Objektkästen mit Chiemseefundstücken und die Stahlskulpturen erstmals in Traunstein aus. Seine Erfahrungen zu "Chaos und Ordnung" (so der Titel seiner ersten Ausstellung) konnte er jetzt ohne Zeitdruck auf die Leinwand bannen oder in Stahlskulpturen verarbeiten.
Zwei unbequeme Schriftsteller
„Verbrennt mich“ hat Oskar-Maria Graf aus dem Exil den Nazis in Deutschland zugerufen. Er war ihnen unbequem und so musste der urbayrische Schriftsteller vom Starnberger See nach Amerika emigrieren. Seiner Heimat blieb Graf aber stets verbunden und als er 1964 zur Kur nach Bad Reichenhall kam, hat das Reichenhaller Tagblatt Starzmann beauftragt, ein Interview mit dem weltberühmten Schriftsteller zu führen. Dieser Kontakt blieb erhalten und führte zu einem Briefwechsel, den man heute als ein bedeutendes zeitgeschichtliches Dokument werten kann. Seine Verbundenheit mit Oskar-Maria Graf, der mit dem Werk „Das Leben meiner Mutter“ allen Müttern der Welt ein würdiges Denkmal gesetzt hat, zeigte sich bei Starzmann auch darin, dass er Mitglied der Oskar-Maria Graf Gesellschaft wurde, die bis heute zur Förderung seiner Werke beitragen will und Forschungen betreibt, die den Schriftsteller Graf mit seiner Zeit verknüpft.
Genauso wie mit Oskar-Maria Graf zeigte sich Starzmann mit dem in Traunstein aufgewachsenen Schriftsteller Thomas Bernhard verbunden. Anders, aber für das Nachkriegsösterreich nicht weniger unbequem war Thomas Bernhard, der Österreich und seinen politischen Vertretern mit seinem Werk einen literarischen Spiegel vorhielt. Einem Österreich, das im 3. Reich weder Opfer noch Mitläufer war, sondern begeisterter Mittäter, das es sehr lange versäumte, eine Aufarbeitung seiner Geschichte überhaupt nur in Erwägung zu ziehen. Dass sich Starzmann diesen zwei unbequemen Schriftstellern so verbunden fühlte, lässt erahnen, was den bayerischen SPD-Oppositionspolitiker motivierte, unermüdlich weiterzumachen und sich einzumischen.
Mit Gustav Starzmann verliert die SPD einen aufrechten Sozialdemokraten, der sich nicht verbiegen ließ und für seine Überzeugungen einstand.