(Bericht und Fotos von Anna Caruso, 10.01.2008)
62. Dreikönigstreffen der SPD in Kirchanschöring
MdL Dr. Thomas Beyer: „Bildung ist die einzige Prävention gegen Armut!“
Neben Beyer referierten auch die Bundestagsabgeordnete Dr. Bärbel Kofler; der stellvertretende Landrat, Sepp Konhäuser; der SPD- Kreisvorsitzende des Landkreises Traunstein, Dirk Reichenau, und der SPD- Landratskandidat für das Berchtesgadener Land, Helmut Fürle. Roman Niederberger (Kreisvorsitzender BGL) übernahm die Moderation der Veranstaltung. Zu diesem mittlerweile schon traditionellen und 62.Dreikönigstreffen begrüßte Peter Aumeier als Kirchanschöringer Ortsvorsitzender der Sozialdemokraten viele prominente Lokalpolitiker und Gäste. Der Saal füllte sich heuer zwar nicht ganz; die heitere Stimmung, die auf Zuversicht bei den anstehenden Kommunalwahlen schließen lässt, beeinträchtigte dies aber keinesfalls.
Zur allgemeinen Situation im Land sagte Beyer, das Wirtschaftswachstum und die landesweit sinkende Arbeitslosigkeit seien wichtige Aussagen. „Die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze nehmen jedoch keineswegs in dem Maße zu, wie die Arbeitslosenzahl abnimmt!“ Die Umsetzung des Elterngeldes wertete der Redner als sozialdemokratischen Erfolg, denn dieses entspreche einem Modell, das Renate Schmidt einst entworfen hatte. Das Gesetz zum Klimaschutz werde von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf den Weg gebracht. Und erste Erfolge seien beim Mindestlohn zu verzeichnen, so Beyer.
Als überaus schockierend bezeichnete er die Kinderarmut, die es auch in Bayern gebe. „Rund 10 Prozent der bayerischen Bevölkerung lebt in Armut“ Der wirtschaftliche Aufschwung habe nicht alle erreicht. Etwa 140.000 Kinder unter 15 Jahren lebten in Bedarfsgemeinschaften nach Hartz IV. „Ein unhaltbarer Zustand, der geändert werden muss!“, sagte Beyer. Er rügte die Politik in Bayern, die in Puncto Kinderarmut nicht aufmerksam genug gewesen sei.
Als sozialen Skandal müsse man auch das System bezeichnen, das den so genannten Aufstocker ermöglicht hat. Dies sind Menschen, die von ihrem Vollerwerbseinkommen nicht leben können und zusätzlich staatliche Hilfen in Anspruch nehmen müssen. Darüber hinaus leben knapp 800.000 Menschen in völlig überschuldeten Verhältnissen und dies nicht erst seit gestern. Die Schuldnerberatungen hätten die finanzielle Aufstockung ihrer Budgets zwar schon lange gefordert, aber erst jetzt sei die Geldsumme erhöht worden.
Für das Entstehen von Altersarmut macht Beyer die immer noch unzureichenden Leistungen der Pflegeversicherung verantwortlich. "Mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 sollte auch erreicht werden, Heimbewohnern zu ersparen, im Alter noch Sozialhilfe beantragen zu müssen. Wir sehen aber jetzt, dass die Zahl der Empfänger von Hilfe zur Pflege wieder deutlich ansteigt", so Beyer. Die zunehmende Sozialhilfebedürftigkeit bringe finanzielle Auswirkungen für die Angehörigen mit sich. So führten steigende Aufwendungen für Pflegeleistungen nicht nur zu zunehmender Altersarmut, sondern entwickelten sich zu einem ernstzunehmenden Problem auch in Bezug auf die finanzielle Situation vieler Familien in Bayern. Manch eine Familie stehe mittlerweile vor der Entscheidung: „Studienplatz für den Sohn oder doch den Heimplatz für den Opa!“
Kritik übte Beyer auch an der Bildungspolitik. Schon die Abschaffung des Büchergeldes sei ein besonderes Kabinettsstück gewesen: „Sämtliche Kommunen mussten es abschaffen, ohne dass es von der Regierung ausgeglichen wurde!“ Ferner nehme der Druck der Öffentlichkeit wegen des Lehrersmangels an allen Schulen deutlich zu. Auch könne es nicht angehen, dass mit 10 Jahren zu entscheiden ist, welcher Bildungsweg eingeschlagen wird. Überhaupt hänge der Bildungsstand nirgendwo so vom Geldbeutel ab, wie in Bayern. Die Erhöhung des Bafögs könnten die Studiengebühren, gegen die sich die sozialdemokratisch regierten Bundesländer aussprechen, nur mildern. „Aber, Bildung ist die einzig wirkliche Prävention gegen Armut“, betonte er. Über Bildungspolitik mit Chancengleicheit für alle, ungerecht verteilte Vermögensverhältnisse und Löhne, die zum Leben reichen, müsse man reden, dies sind die brennenden Fragen, die auf den Nägeln brennen. Statt dessen schlägt man sich mit den negativen Folgen einer verfehlten Politik in öffentlichen Diskussionen herum, dazu gehöre etwa die Debatte um die Schaffung von Jugendcamps für straffällig gewordene Jugendliche.
Zu dem von vielen SPD- Politikern geforderten Mindestlohn stellte auch Beyer klar, dass der Mensch ein vom Grundgesetz verankertes Recht auf Arbeit hat und von dieser Arbeit auch leben können müsse. Mindestlöhne, wie sie für die Briefdienstleistungs- und Baubranche nun gelten, sollten auch auf weitere Branchen ausgedehnt werden, forderte Beyer. Ein staatlich garantiertes Mindesteinkommen widerspreche jedoch den Interessen der Wirtschaft. Und die Bayerische Staatsregierung vertrete die Ansicht, mit Hartz IV verfüge schon jeder Bürger über ein „Mindesteinkommen“, deshalb sei sie gegen eine Ausdehnung. „Es geht darum, dass der Staat die schmutzige Konkurrenz jener Betriebe mitfinanziert, die ihren Arbeitnehmern keine gerechten Löhne bezahlen!“, so Beyer.
Abschließend plädierte Beyer für gleichwertige Lebensbedingungen, Mindestlöhne, Ausbildungsplätze für alle, wahre Familienpolitik, Integration derer, die schon seit Jahrzehnten im Land leben, gerechte Pflege und vieles mehr, was der Bürger in einem sozialdemokratischen Land erwarte.
Dr. Bärbel Kofler brachte zum Ausdruck, dass es einen Erfolg darstelle, das Arbeitnehmer- Entsendegesetz auch bei den Gebäudereinigern und den Briefdienstleistern durchgesetzt zu haben. Leider seien daraufhin von der PIN AG Stellenstreichungen angekündigt worden: "Dabei handelt es sich hauptsächlich um geringfügige, nicht um sozialversicherungspglichtige Arbeitsverhältnisse, was viele gerne übersehen. Genau das ist uns aber wichtig: Der Erhalt von Vollzeitarbeitsplätzen mit einem Verdienst, der zum Lebensunterhalt ausreicht. Der Mindestlohn bei den Briefdienstlern war nur ein erster Schritt!“ Alles was mit Zeit- und Leiharbeit zu tun hat, werde als nächstes in Angriff genommen, so Dr. Kofler, die sich sicher ist, dass es ohne den Druck aus der Öffentlichkeit zu diesem Mindestlohn nicht gekommen wäre.
In der Diskussionsrunde sagte ein Veranstaltungsbesucher: Seit mehr als 30 Jahren beobachte er, dass die CDU/CSU vor jeder Wahl „Sicherheit und Ausländer“ thematisiere, um Angst in der Bevölkerung zu schüren. Dem hessischen Ministerpräsidenten, Roland Koch , kämen die jüngsten Vorkommnisse in der Münchner U- Bahn gerade gelegen. Darüber solle man nachdenken. Derartige Themenfelder müsse man vorher aufgreifen, „um uns dann den wirklichen Themen widmen zu können!“, meinte dieser Besucher. Worauf Dr. Beyer erwiderte, das Gebiet „innere Sicherheit“ sei bestens geeignet, um aufzuzeigen, wie dieser Konfliktstoff missbraucht werden kann. Es stelle sich die Frage, „wie kann man eine stärkere Integration erreichen beziehungsweise Familien wirksamere Hilfe zukommen lassen?“ „Und vor allem, wie erreicht man jene, die sich allem verweigern?“ Schon im Vorfeld müsse man Bedingungen schaffen, damit Kinder ordnungsgemäß erzogen werden können, machte Beyer deutlich.
Die Wortmeldung eines weiteren Besuchers bezog sich auf den Mindestlohn: Er betonte, der volkswirtschaftliche Aspekt des Mindestlohns komme in der Öffentlichkeit viel zu wenig zur Geltung. „Der Briefträger bei der Post finanziert mit seinen Abgaben an die Sozialversicherung und seiner Steuer die Arbeit bei PIN AG mit!“, sagte dieser Besucher. Worauf Beyer meinte, nichts spreche gegen den Mindestlohn, jedoch alles dafür.
Den Anregungen, des Gastes, der der Frage nachging, wie man Familien über die Steuern besser stellen könne, wurde nicht weiter verfolgt; Moderator Niederberger brachte zum Ausdruck, dass Familien mit niedrigem Einkommen schon steuerbegünstigt seien. „Erst sollte man die Bildungspolitik erörtern, ehe Steuern und Kindergeld in Angriff genommen werden!“
Kirchanschörings Bürgermeister Albert Reiter lud den Landratskandidaten Sepp Konhäuser ein, öfter nach Kirchanschöring zu kommen, damit er sich vor Ort ein Bild von der fortschrittlichen Politik des Ortes machen könne: Hier sei man in Sachen Müllentsorgung schon viel weiter als anderswo, denn Sperrmüll und Grüngut entsorge man selbst. „In zehn Jahren bekommt die Gemeinde Geld für den Sperrmüll!“, ist sich Reiter sicher. Und Büchergeld habe man sowieso nie erhoben. Heute habe er aber nichts über Energiepolitik gehört, beanstandete der Bürgermeister und kam dann auf die „kleinen Kreisläufe“ zu sprechen die in seiner Kommune gefördert werden. Konhäuser bestätigte Kirchanschöring da „eine Vorbildfunktion“ bevor er auf das „straffe Programm“ des Landkreises mit dem man bis 2020 energieautark werden will, zu sprechen kam.
Beyer bescheinigte Kirchanschöring eine fortschrittliche Vorgehensweise in Sachen Energie, betonte aber, dass das Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit ebenso bedeutsam sei, wie die Besinnung auf die Energie.
Dirk Reichenau ergriff als letzter Redner das Wort: „Wer gerechte Bildungchancen ablehnt oder diese als Sozialromantik betitelt, wird Schiffbruch erleiden!“ SPD- Politik sei gerecht und sozial. Deshalb müssten mehr Personen aus den eigenen Reihen bei den nächsten Wahlen in die bayerischen Rathäuser einziehen. Reichenau bat um Unterstützung, dass dies gelingen möge, bevor er sich abschließend bei den Rednern und bei Moderator Roman Niederberger für dieses 62. Dreikönigstreffen bedankte.
Aus den Reden der Landratskandidaten
Beim diesjährigen Dreikönigstreffen der SPD in Kirchanschöring stellten auch die beiden sozialdemokratischen Landratskandidaten Sepp Konhäuser (Traunstein) und Helmut Fürle (Berchtesgadener Land) ihre politischen Ziele vor.
Helmut Fürle sagte ohne lange Umschweife gleich zu Beginn seiner kurzen Rede, dass sein oberstes Ziel sei, Landrat zu werden. Kritisch äußerte er sich umgehend zur Wirtschaftspolitik, da der Landkreis bei der Wirtschaftskraft auf einem der letzten Plätze in Oberbayern liege. Ein weiteres schwieriges und komplexes Thema stellten die Krankenhäuser dar, denn es sei ein großes finanzielles Defizit aufgelaufen; für das der Landrat in die Verantwortung genommen werden müsse. Denn, so führte Fürle weiter aus, es könne nicht sein, dass nach dem Weggang eines Geschäftsführers plötzlich und unerwartet 5 Millionen Euro Schulden da sind.
Dann ging der Landratskandidat auf die Bildungs- und Kulturpolitik der Region ein. Hier stellte er eine ganz gezielte Förderung in Aussicht. Fördern möchte er nicht nur die Musikschulen sondern auch die Vereinsarbeit, besonders die der Jugend. „Wenn man mehr Geld in die Arbeit der Vereine und in schulische Projekte stecken würde, könnte man die Jugendkriminalität durchaus präventionieren.
Seine dritte Rede bei seiner dritten Kandidatur hielt der Traunsteiner SPD- Kandidat und bisherige Stellvertreter des Landrats, Sepp Konhäuser bei diesem Dreikönigstreffen. Ausdrücklich lobte er die gute Zusammenarbeit mit seiner Kreistagskollegin Traudl Wiesholer-Niederlöhner, ehe auch er auf die Bildungspolitik zu sprechen kam. „Bildung ist unsere Zukunft!“ Bildung sollte nicht nur in Sonntagreden erwähnt werden, stattdessen müsse man etwas dafür tun: „Geld in die Schulen stecken!“, forderte Konhäuser deshalb.
Bei seinen Ausführungen zur Abfallwirtschaft räumte er ein, dass die Blaue Tonne ein bisschen am Landkreis vorbeigegangen sei. „Weltweit haben wir in Deutschland das teuerste und komplizierteste System!“ Heute müsse man umdenken, weil die Wertstoffe aus dem Abfall wieder kostbar seien. Schon heuer wolle man wissen, wie die Abfallwirtschaft des Landkreises künftig gehandhabt wird und nicht erst nach Ablauf des Vertrages mit dem Dualen System Deutschland (DSD), so Konhäuser.
Ein weiteres gravierendes Problem des Landkreises stellt nach Konhäuser die rückläufige Zahl von Übernachtungen dar. Hier sieht er eine Lösung in der gemeinsamen Vermarktung der Region unter der "Marke Chiemgau", damit Dinge auch wirksam bewegt werden können.
Abschließend verwies Konhäuser noch auf die steigenden Ausgaben, die für Hartz IV- Empfänger aufzuwenden sind, und betonte, dass auch die Kommunen darunter litten, dass die Leute nicht von ihrem Lohn leben können.
Das Publikum honorierte die Reden der beiden Bewerber mit viel Beifall.